
Jens Wawrczeck (Peter Shaw aus »Die drei ???«) hat »Psycho« eingelesen, jenen Roman, der von Alfred Hitchcock kongenial verfilmt wurde. Man denke nur an die legendäre Dusch-Szene. Im Podcast des literaturcafe.de spricht Wolfgang Tischer mit Jens Wawrczeck übers Sprechen, sein Projekt »Verfilmt von Alfred Hitchcock«, und der Profi gibt Tipps, wie auch Autorinnen und Autoren ihre Texte besser vorlesen.
Jens Wawrczeck ist eine feste Größe in der deutschen Sprecher- und Schauspielszene. Einem breiten Publikum ist seine Stimme vertraut, besonders als Peter Shaw in der Hörspielreihe »Die drei ???«. Doch Wawrczeck ist mehr als das: ein ausgebildeter Schauspieler mit jahrzehntelanger Erfahrung, der unzählige Hörbücher eingelesen und in vielen Hörspielen mitgewirkt hat. Im Podcast des literaturcafe.de gibt er Einblicke in seine Arbeit.
Das Mikrofon hört jede Lüge
Was unterscheidet Sprechen für das Mikrofon vom Schauspiel? Man müsse vor dem Mikro disziplinierter sein, da die Stimme hier das einzige Ausdrucksmittel sei, erklärt Wawrczeck. Das Mikrofon sei so klug, dass es jede Lüge höre – eine Herausforderung, die auch nach über 50 Jahren keine Routine sei. Trotzdem bringe er sich auch vor dem Mikro ganzkörperlich ein, denn man höre den Unterschied zwischen jemandem, der »nur« spricht, und einem Schauspieler, der sich hingibt. Man sei vor dem Mikrofon jedoch sehr sensibel und minimalistisch tätig.
Für Autorinnen und Autoren, die ihre eigenen Texte vorlesen wollen, hat er einen klaren Rat: Seien Sie persönlich. Man müsse versuchen, sich hundertprozentig auf den Text einzulassen. Es gehe nicht darum, eine Emotion »anzurühren«, sondern bei sich zu bleiben. Je persönlicher man sei, je mehr man hinter dem Text stehe, desto überzeugender sei der Vortrag, sagt Jens Wawrczeck im Gespräch mit Wolfgang Tischer. Seine eigene Vorbereitung für ein Hörbuch gleiche dem Bemalen eines Manuskripts mit Farben und Geheimcodes für verschiedene Figuren und Stimmungen – man müsse sich im Text auskennen wie in einem Haus.
Auf Hitchcocks Spuren: »Psycho«
Aus dem Gefühl heraus, ein bisschen frustriert gewesen zu sein, dass er nicht immer die Texte lesen konnte, für die er brenne, gründete Wawrczeck sein eigenes Hörbuch-Label Audoba. Es sei »eine rein egoistische Leidenschaftsangelegenheit« gewesen, Audoba ins Leben zu rufen. Er sehe sich damit nicht als Konkurrent für etablierte Hörbuchverlage, sondern als sehr kleine Eisscholle auf einem großen Meer.
Sein Herzensprojekt sei die Reihe »Verfilmt von Alfred Hitchcock«. Wawrczeck fand heraus, dass 42 der rund 50 Hitchcock-Filme auf literarischen Vorlagen basierten. 18 davon hat er bereits eingelesen, zum Teil musste er sie zunächst übersetzten lassen. Die aktuelle Produktion ist »Psycho«. Der Film von 1960 beruht auf dem gleichnamigen Roman von Robert Bloch (1917 – 1994) aus dem Jahre 1959. Hitchcock habe sich die Rechte seinerzeit »quasi frisch aus dem Druckwerk« gesichert.
Überraschenderweise habe sich Hitchcock bei der Verfilmung von »Psycho« eng an die literarische Vorlage gehalten, auch wenn er die zentrale Figur des Norman Bates im Erscheinungsbild im Gegensatz zur Beschreibung im Roman stark veränderte und mit dem damals eher unbekannten und sympathischen Anthony Perkins besetzte.
Bei den Hörbuchaufnahmen zu »Psycho« versuchte Wawrczeck, seine eigene visuelle »Psychowelt« zu erschaffen und sich nicht allzu sehr von den teils ikonischen Bilder Hitchcocks leiten zu lassen. Ziel sei es, den Roman zu lesen und neu zu interpretieren, nicht den Film nachzuspielen. Die 336 Minuten Aufnahmezeit für die ungekürzte Hörbuchfassung hätten etwa vier Tage in Anspruch genommen.
Die Hitchcock-Leidenschaft von Jens Wawrczeck begann bereits mit 12 Jahren, als er »Bei Anruf Mord« sah. Später, als er den Peter Shaw in der Kult-Hörspielserie »Die drei ???« spielte, kam er indirekt wieder mit Hitchcock in Berührung. Robert Arthur, der Autor der drei ???, sei mit Hitchcock befreundet gewesen, und der berühmte Regisseur habe seinen Namen zur Verfügung gestellt habe, möglicherweise als »Starthilfe« für die Buch- und Hörspielserie.
Streaming und KI-Stimmen
Im Gespräch mit einem bekannten Sprecher müssen natürlich auch die Dinge zur Sprache kommen, die aktuell die Branche bewegen: Die Rolle der Streaming-Anbieter und die Vertonungen durch KI-generierte Stimmen. Spotify hat vor wenigen Tagen eine große Hörbuch-Initiative verkündet. Mehr Produktionen sind jetzt über den Streaming-Anbieter verfügbar. Obwohl »Psycho« auch dort zu hören ist, gibt es die Hörbuch-Produktion auch noch als MP3-CD mit einem schön gestalteten Booklet. Er sei, so Wawrczeck, in dieser Hinsicht »ein altmodischer Mensch« und würde immer etwas zum Anfassen bevorzugen. Er hoffe, dass die aufwändig gestalteten CD-Ausgaben seiner Produktionen den Sammlerinstinkt wecken. Zudem geht Jens Wawrczeck mit den Texten auch auf Tour. Hierzu werden die Vorlagen aufwändig gekürzt, sodass die Zuhörerinnen und Zuhörer den kompletten Bogen der Handlung erleben können.
Hören Sie das ausführliche Gespräch mit Jens Wawrczeck über den Player auf dieser Seite und im Podcast des literaturcafe.de, der überall verfügbar ist, wo es Podcasts gibt – auch via Spotify.
Das Hörbuch »Psycho«, gelesen von Jens Wawrczeck, ist in der Edition Audoba als Mediabook mit schönem Booklet sowie auf Streaming-Portalen erhältlich. Die Übersetzung hat Hannes Riffel besorgt.
Jens Wawrczeck: How to Hitchcock: Meine Reise durch das Hitchcock-Universum. Taschenbuch. 2023. dtv Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG. ISBN/EAN: 9783423352178. 13,00 € » Bestellen bei amazon.de Anzeige oder im Buchhandel
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